Hochsensibilität – Was bedeutet das?

Was heisst "hochsensibel sein"?

Menschen und Tiere, deren Körpersinne extrem ausgeprägt sind, nennt man hochsensibel. Was heisst das konkret? Der Mensch verfügt über fünf Körpersinne, die ihm das Leben in unserer Welt erleichtern. Bei hochsensiblen Menschen können die einen oder anderen Sinne sehr ausgeprägt sein, so dass dies schnell zu einer Belastung werden kann. z.B.

Du kannst extrem gut riechen und bist auch sehr empfindlich, was intensive Gerüche angeht. Das können angenehme Gerüche sein oder auch unangenehme. Nicht umsonst sagen wir: “Ich kann dich nicht riechen”.

Dasselbe gilt für das Schmecken. Vor allem bei Kindern merkt man, dass stark gewürzte Nahrungsmittel nicht gern gegessen werden. Dabei spielt auch die Konsistenz der Nahrung eine grosse Rolle. Es gibt Dinge, die vor allem die Kinder nicht schlucken können. Sprachlich sagen wir im übertragenen Sinn: Das kann ich jetzt nicht schlucken...

Es kann auch sein, dass du extrem gut hören kannst. Dabei gibt es aber auch Geräusche oder Töne, die dir sehr unangenehm sind. Dann würdest du dir am liebsten die Ohren zuhalten. Es gibt auch Stimmen, deren Tonlage uns sehr weh tun kann. Oder wir hören den Wasserhahn in einem anderen Zimmer tropfen oder sonst ein Geräusch, das uns stark stört. Sprachlich heisst es auch: Der hört das Gras wachsen...

Es kann auch sein, dass du sehr gut sehen kannst. Es stört dich grelles Licht oder du fühlst dich im starken Sonnenlicht nicht wohl. Dann gehst du wahrscheinlich nicht gerne im Sommer in südliche Länder. Da kann eine gute Sonnenbrille unterstützend wirken. Die Morgen-oder Abendstimmung in der Natur tun dir wohl. Das gedämpfte Licht tut deinen Augen gut. Du schläfst auch viel besser, wenn es ganz dunkel ist. Im übertragenen Sinn sagen wir auch: Der sieht Gespenster...

Wenn dein Tastsinn sehr ausgeprägt ist, dann stören dich vielleicht die Etiketten an der Kleidung. Es kann dich auch die Zusammensetzung des Materials, sei es Wolle oder Kunststoff derangieren. Du empfindest ungefragten Körperkontakt als sehr unangenehm, bist nicht gerne in grossen Menschenmengen. Du meidest überfüllte Züge oder Einkaufszentren mit vielen Leuten.

Wenn man hellhörig, hellsichtig oder hellfühlig ist, dann spürt man noch wesentlich mehr, das man nicht mit der Realität erklären kann. Du weisst dann gewisse Dinge einfach oder “du kannst Gedanken lesen, das Gras wachsen hören”. Wir bezeichnen dies als den “sechsten Sinn”. Solche Menschen nennt man hochsensitiv.

Hochsensible Menschen sind sehr gerne in der Natur. Die Weite des Meeres oder die Erhabenheit der Berge helfen dabei, sich zu spüren. Auch der Wald wird oft als sehr wohltuend erlebt.

Hochsensibilität und Hochsensitivität sind Begabungen oder Talente. Es sind keine Krankheiten, werden also auch nicht diagnostiziert. Du lässt Linkshändigkeit oder Empfindlichkeit auf Sonne auch nicht vom Arzt beurteilen. Du weisst einfach, dass du dich ausgeprägt schützen musst oder spezielle Geräte benutzen kannst. Es gibt eine Theorie, dass AD(H)S eine besondere Form der Hochsensibilität ist, doch wird bei der Bezeichnung AD(H)S meiner Meinung nach die Hochsensibilität oft nicht richtig erkannt und dagegen gearbeitet. Das erweist sich für den betreffenden Menschen als sehr schwierig, da er sich immer wieder als “nicht richtig” erlebt. Dies kann sich auch traumatisch auswirken. Kinder reagieren auf solche Situationen mit ihrem Körper. Sie werden dann von ihrer Umgebung als schwierig oder speziell erlebt.

Wenn du wissen willst, ob du auch zu den hochsensiblen Menschen gehörst, kannst du einen Test machen. Diese Tests sind empirisch, d.h. sie sind nicht wissenschaftlich fundiert, sondern beruhen auf Erfahrungen. Darum kannst du auch sagen, dass du wahrscheinlich hochsensibel bist, je nachdem, welche und wie viele Kriterien du erfüllst. Elaine Aron, Michelle Haintz, Anne Heintze, Rolf Sellin u.a. haben solche Tests erstellt. Elaine Aron hat den Begriff der “High sensitive personality” in den 90er Jahren geprägt. Mit den Forschungen steht man noch relativ am Anfang.

Hochsensible Menschen nehmen mehr Reize wahr als normal sensible. Hochsensible Menschen haben keine Möglichkeiten, diese Reize zu filtern, d.h. sie nehmen alles auf, ohne zu unterscheiden, was wichtig ist und was nicht. Ein hochsensibler Mensch ermüdet dadurch schnell. Ist dies der Fall, kann er gereizt sein oder müde reagieren. Er wird dann von aussen vielleicht als desinteressiert wahrgenommen, als fahrig oder unkonzentriert. Viele Hochsensible versuchen, das zu kaschieren. Vor allem Kinder werden schnell zum Clown oder machen gefährliche Dinge, ohne zu wissen, dass sie einfach nur müde sind.

Ein hochsensibles Kind, das sich nicht gewöhnt ist, auf seine Besonderheit zu achten, fällt oft auf. In der Schule kann sich das so äussern, dass es unmotiviert aufsteht, andere Kinder stört, drein schwatzt, etwas anderes macht als es sollte, träumt, keine Freunde hat, sich die Ohren zuhält, wenn es laut ist, auch dann, wenn die Lehrerin laut schimpft. Das hochsensible Kind ist deshalb nicht "gestört" oder frech oder undiszipliniert. Es kann  einfach nicht Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden; es kann keine Prioritäten setzen. Das, was andere Menschen automatisch tun, muss der Hochsensible mühsam lernen. Sein Gehirn filtert nicht die wichtigen von den unwichtigen Dingen. Zudem muss er lernen zu erkennen, welche Situationen ihn stark ermüden. Für ein hochsensibles Kind ist ein Klassenverband von 25 Schülern eine sehr grosse Herausforderung, der es sich jeden Tag aufs Neue stellen muss.

Manchmal kannst du nicht ausweichen

Wenn du morgens mit der S-Bahn zur Arbeit fährst, dann sind folgende Szenarien gar nicht so selten:

Du hast keinen Sitzplatz gefunden, stehst irgendwo im Gang und es stehen Dutzende Menschen um dich herum. Du kannst dich kaum irgendwo festhalten. Dass du dich bewegen könntest, kann du grad vergessen.

Vor dir steht jemand mit einem Döner; dir wird ganz schlecht von dem Geruch. Neben dir steht jemand mit einem Becher voll mit heissem Kaffee. Diesen Geruch brauchst du auch nicht unbedingt und du hast immer die leise Angst, dass der Kaffee überschwappt, dich vielleicht verbrüht und dir deine Kleider schmutzig macht.

Auf der anderen Seite steht jemand, der ganz laut in sein Handy schreit, obwohl ja gar niemand da ist. Du weisst am Schluss des Telefons das ganze Tagespensum dieses Menschen. Es ist dir bekannt, dass er schlecht geschlafen hat, weil der Hund des Nachbarn die halbe Nacht gebellt hat. Am Morgen war die Dusche kalt und die Milch im Kaffee sauer. Am Mittag hat er eine Sitzung und am Nachmittag muss er die Kinder vom Sport abholen. Am Abend möchte er eigentlich gerne ins Kegeln, doch da sein Auto zur Reparatur in der Garage ist, muss er wahrscheinlich verzichten.

Und dann sind noch diese Jugendlichen, die sich über den gestrigen Abend unterhalten: Hey, mann, weisst du noch,  so geil, können wir heute Abend…..

Du willst doch gar nicht wissen, was diese Leute alles vorhaben oder nicht machen können…..

Und zur Krönung des Ganzen kommt jetzt noch ein Kontrolleur herein und möchte die Fahrkarten sehen. Du weisst, du hast deine in deinem Portemonnaie, das ist aber tief unten in deiner Tasche versorgt, die du dir zwischen deine Beine geklemmt hast. Der Kontrolleur wartet….

Zum Glück kommt jetzt die Haltestelle und du steigst schweissgebadet aus, auch wenn du eigentlich noch eine hättest weiterfahren müssen. Du gehst lieber mit der Strassenbahn. Da geht es halt eine Viertelstunde länger, doch lieber das, als noch länger in dem Getümmel bleiben.…..Du bist jetzt schon am Morgen überreizt, total erschöpft und würdest am liebsten wieder nach Hause gehen.

So kann es dem hochsensiblen Menschen gehen, der nicht gelernt hat, wie er sich schützen kann.



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